Eine echte Institution in Magdeburg ist seit nun genau 20 Jahren das „Marie Arning“ Haus im Stadtteil Buckau. Das Haus der Sozialen Dienste des AWO Kreisverbandes Magdeburg e.V. zeichnet sich insbesondere durch seine langjährige gute Sozialarbeit in den verschiedensten Bereichen aus. „Alle unter einem Dach“ – unter diesem Motto arbeiten hier täglich Kolleg*innen aus der Schuldnerberatung, Schwangeren- und Familienberatung, dem Jugendmigrationsdienst, der Suchtberatung und der Mutter/Vater–Kind Kurberatung in einem multiprofessionellen Team zusammen. So verschieden wie die Menschen sind, die zu uns kommen, sind auch ihre Lebens- und Problemlagen.
Frau Fritzsch aus der Schuldnerberatung berichtet aus ihrem Alltag im Bereich der sozialen Schuldnerberatung: „Kommt ein Mensch zu mir, der eine Schuldenproblematik hat, kann ich ihn nur beraten, wenn er in vollem ALG II oder SGB XII Bezug steht.“ Erschreckend ist, dass aufgrund dieser Tatsache, viele bedürftige Menschen ausgeschlossen werden. So haben Frauen und Männer im Elterngeldbezug, Minijobber mit ALG II Aufstockung, Student*innen mit Bafög Bezug, Auszubildende, Menschen im Angestelltenverhältnis, ALG I – Bezieher*innen sowie Menschen ohne eignes Einkommen keinen Anspruch auf eine soziale Schuldnerberatung. Doch genau diese Menschen, so Frau Fritzsch, leben häufig in einer prekären Lebenslage. Oft verlieren sie den Überblick über ihre finanzielle Situation. Dies geschieht nicht selten durch 0% Finanzierungen, Unterhaltszahlungen, einen zu hohen Lebensstandard, Trennung, Scheidung, Arbeitsplatzverlust, Krankheit oder Tod des Partners. Daraus können sich Problemlagen entwickeln wie z.B. Konto- und Lohnpfändungen, drohender Wohnungsverlust, Zwangsversteigerungen und/oder Energiesperrungen. Die psychische Belastung steigt und eine Unterstützung durch die soziale Schuldnerberatung kann oft aus den oben genannten Gründen nicht erfolgen.
Im Marie Arning Haus – eine Etage unter dem Bereich der Schuldnerberatung – sitzen die Kolleginnen der Schwangerschafts- und Familienberatung. Hier zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, wie zuvor von Frau Fritzsch (Schuldnerberatung) geschildert. Frau Veckenstedt berät hier schon seit vielen Jahren fachlich und einfühlsam junge (werdende) Eltern auch zu sozialrechtlichen Fragestellungen rund um das Thema Familie. Der Eintritt einer Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes kann die finanzielle Situation einer Familie auf den Kopf stellen. Finanzielle Notlagen entstehen häufig durch befristete Arbeitsverträge und den Abstieg ins ALG II, Trennung, Scheidung oder die Finanzierung der Erstausstattung für das ungeborene Kind. „Für werdende Eltern in finanzieller Notlage gibt es die Möglichkeit, einen Antrag bei der Stiftung „Mutter & Kind – Schutz des ungeborenen Kindes zu stellen“, weiß Frau Veckenstedt. Hier können die jungen Familien Gelder z.B. für den Erwerb der Erstausstattung beantragen. Jedoch kommen auch Menschen zu ihr, die über vorhandene Schulden und einen fehlenden finanziellen Überblick berichten. Hier kann Frau Veckenstedt nur zu ihrer Kollegin Frau Fritzsch vermitteln, wenn die Hilfesuchenden im Hartz IV oder Sozialhilfebezug stehen. Fällt eine junge Familie aus diesem Raster heraus, so kann sie keine soziale Schuldnerberatung in Anspruch nehmen. Frau Fritzsch aus der Schuldnerberatung weiß, dass das zu einem späteren Zeitpunkt oft ein Insolvenzverfahren zur Folge hat. „Das müsste nicht sein. Wir könnten Betroffenen bei einer anderen Finanzierung schon viel früher Unterstützung anbieten“, so die engagierte Mitarbeiterin.
Werfen wir einen Blick in die Beratungsstelle für suchtgefährdete und suchtkranke Menschen, die ebenfalls im „Marie Arning“ Haus zu finden ist. Frau Siersleben berichtete, dass im Jahr 2018 nur ein Drittel der Hilfesuchenden im ALG II Bezug war. Eine Suchterkrankung geht häufig mit einer Multiproblemlage einher. Die Folgen einer Suchterkrankung sind oft unbezahlte Rechnungen. Insbesondere Suchtkranke mit einer pathologischen Spielsucht, sind von Überschuldung betroffen. 2/3 der Hilfesuchenden der Suchtberatungsstelle können auf Grund ihrer Einkommenssituation nicht in die soziale Schuldnerberatung vermittelt werden. Die existenzielle Absicherung ist jedoch ein Grundbaustein für ein gesundes Leben.
Eine weitere wichtige Anlaufstelle im Marie Arning Haus ist der Jugendmigrationsdienst (JMD). Hier werden junge Erwachsene mit Migrationshintergrund von Frau Tost beraten und unterstützt. Auch diese Zielgruppe ist von der Überschuldung betroffen. Eine andere Kultur, eine zum Teil schwierige Biografie, die Sprachbarriere und vieles mehr können Ursache dafür sein. Frau Tost vom JMD erläutert, dass gerade die Unbeschwertheit der Klient*innen dazu beiträgt, dass die Schuldensituation nur selten angegangen wird. Gründe für Überschuldung sind z.B. Mahngebühren und Geldforderungen bei Strafverfahren (hervorgerufen durch Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung), bei Mietrückständen oder bei Rückforderungen des Jobcenters. Diese entstehen oft beim Wechsel vom ALG II-Bezug in das Erwerbseinkommen, weil das überzahlte Geld sofort ausgegeben wurde und bei Forderungsanspruch nicht mehr zur Verfügung steht. „Diese Menschen kommen aus Ländern, in denen sie keine Schulden machen konnten. Die Sensibilität für dieses Thema ist kaum vorhanden“, berichtet Frau Tost vom Jugendmigrationsdienst. Ein Großteil der Klient*innen der Beratungsstelle sind jedoch ALG II Bezieher*innen und haben rechtlich einen Anspruch auf Unterstützung durch die soziale Schuldnerberatung.
Frau Helbig (stellvertretende Geschäftsführerin des AWO Kreisverbandes Magdeburg e.V.) betont: „Trotz dieser schwierigen Finanzierung der sozialen Schuldnerberatung sind wir froh, die genannten Beratungsstellen unter einem Dach zu haben, um gemeinsam für die Bürger*innen der Stadt Magdeburg gute und engagierte Arbeit leisten zu können.“ Ungeachtet dessen und mit Blick auf die Kommunalwahl im Mai appellieren die Mitarbeiter*innen der AWO-Beratungsstellen an die Vertreter*innen der Politik, eine Finanzierung zu schaffen, die es allen Bürger*innen der Stadt Magdeburg, unabhängig von ihren Einkommen, ermöglicht, Hilfe seitens der sozialen Schuldnerberatung in Anspruch nehmen zu können. Die soziale Schuldnerberatung ist für alle von Überschuldung betroffenen Menschen zu refinanzieren um somit Gleichberechtigung und Chancengleichheit für die Bürger*innen der Stadt Magdeburg zu gewährleisten.